Der Mythos vom Rübezahl, dem Rübezagel, Rübzagl, Riebezagel, dem Riphäischen (Montes Riphaei hat die spätlateinische Gelehrsamkeit das Riesengebirge genannt), dem Rubenzalio Silesio, ist uralt wie sein heimatliches Riesengebirge. Die erste schriftliche Aufzeichnung über ihn stammt aus einer Chronik von 1576, in der ein Hochwasser im Aupatal beschrieben wird: »Rübenzagel habe die Klaußen (Schleusen) geschlagen und den Klaußenmeister auch mit ertränkt. « Und in einer Tiroler Chronik heißt es: »Geist Rübenzahl hat sich in die Schlesj begeben, auf ein ringhaltiges Kupfer Perckwerch (Bergwerk), heißt das Riesengepürg.« Der große Martin Opitz ruft den »Bergmann Rübezahl« als einen »Riesengott« an, und zuvor hat ihn sein schlesischer Landsmann Kaspar Schwenckfeld als »Herr und Besitzer der Metallen und Schätze, so in dem Gebürge verborgen liegen« 1607 geschildert. Die erste Aufzeichnung der Rübezahl-Legenden stammt von dem Leipziger Magister Johannes Praetorius (1630-1680). Die Abenteuer des Berggeistes, wie sie den Deutschen der letzten drei Jahrhunderte in unzähligen Ausgaben überliefert sind, gehen schließlich auf die »Legenden von Rübezahl« des Johann Karl August Musäus (1735-1787) zurück. Durch ihn ist Rübezahl der in deutschen Kinderstuben des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vielbelachte Polterer geworden, der bis heute seine Popularität nicht eingebüßt hat. Carl Hauptmann, dessen »Rübezahl-Buch« 1915 erstmals veröffentlicht wurde, hat sich des Stoffes angenommen und den »frechsten al-ler Pferdediebe und Necker, den tollsten Marktschreier und Bauernklotz, aber auch den kühnsten Musikanten um Fels getrümmer und Krummholz-knorren« redämonisiert. Seine Quel-le ist die Sammlung des Hirschberger Arztes Caspar Gottlieb Lindner (1705-1769) »Bekannte und unbe-kannte Historien von dem abentheuerlichen und weltberuffenen Rieben-Zahl, welche von Praetorio, Schwencken (Schwenckfeld) und anderen bewehrten Scribenten mehr sind geschrieben worden«. Deren Texte sind derb, klobig, holzschnitthaft, wie es die Riesengebirgler der Zeit waren. Die Sprachmelodie ist die des Barock. Das mag Carl Hauptmann gereizt haben. Was er daraus gemacht hat, ist eine einzigartige Leistung: Zwar gibt sein »Rübezahl-Buch« nur neun der vie-len hundert Abenteuer wieder, diese aber als »Volkserzählung von Tolstojschem Rang: Seit Goethes >Faust< ist ein Urstoff der Sage so endgültig selten gestaltet worden« (Gerhart Pohl).